In „Fath Al-Bârî Scharh Sahîh Al-Buchârî“ (Hadîth 4722, 4723) und den beiden Sahîh-Werken heißt es unter Berufung auf Âischa bezüglich dem Wort des Erhabenen „Und sei nicht zu laut beim Gebet, und sei auch nicht zu leise dabei“ (Sûra 17:110), dass dieser Vers im Zusammenhang mit dem Bittgebet herabgekommen ist. Gleiches wird auch von Ibn Abbâs, Abû Huraira, Sa‘îd ibn Dschubair, Atâ, Ikrima, Urwa, Mudschâhid, Ibrâhîm u. a. überliefert.
Imâm Ahmad sagte: „Aufgrund dieses Verses soll man sein Bittgebet leise sprechen, darauf verweist dieser Vers.“ Er sagte, dass es als makrûh angesehen wurde, im Bittgebet die Stimme zu erheben. Al-Hasan sagte: „Das Erheben der Stimme im Gebet ist eine Neuerung.“ Saîd ibn Al-Musayyib meinte: „Die Menschen haben mit dem (Erheben) der Stimme im Duâ eine Neuerung eingeführt.“ Auch Mudschâhid u. a. haben so etwas als makrûh angesehen.
Warum ist das Erheben der Stimme beim Bittgebet makrûh, und doch sehen wir, dass der Imâm beim Qunût und im Tarâwîh-Gebet seine Stimme im Bittgebet erhebt?
Möge Allâh es Euch mit dem Besten vergelten!
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Die in der Frage erwähnten Worte werden von Ibn Radschab in „Fath Al-Bârî“ als Kommentar zu der Aussage von Ibn Abbâs, wie sie sich bei Al-Buchârî findet, erwähnt. Der genaue Wortlaut ist: „Ibn Abbâs sagte: ‚Ich wusste immer, dass das Gebet des Gesandten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zu Ende war, wenn er Allâhu akbar gesagt hatte.“ Dann bespricht Ibn Radschab ausführlich, wie lautes Lesen in Dhikr und Duâ nach dem Gebet zu beurteilen sind. Daraus wird deutlich, dass sich die von dir erwähnte Aussage auf das Bittgebet (Duâ) nach dem rituellen Gebet (Salâ) bezieht. Wir bringen im Folgenden einige kurze Beispiele:
Ibn Radschab sagt in „Fath Al-Bârî“ als Erklärung der genannten Aussage von Ibn Abbâs: „Der Hadîth von Ibn Abbâs deutet darauf hin, dass man nach dem Pflichtgebet die Stimme mit dem Takbîr (Allâhu akbar) erhebt. Von den meisten Gelehrten aber wird das Gegenteil überliefert und zwar, dass das leise Lesen des Dhikrs besser ist. Dies folgt aus der allgemeinen Bedeutung Seines Wortes − erhaben ist Er: „Und gedenke deines Herrn in deiner Seele in Unterwürfigkeit flehend und in Furcht und mit leiser Stimme“ (Sûra 7:205) und „Ruft euren Herrn in Unterwürfigkeit flehend und im Verborgenen an“ (Sûra 7:55). Ebenso sagte der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zu einem seiner Gefährten, der den Dhikr laut rezitierte: „Ihr ruft weder zu einem, der taub ist, noch zu einem Abwesenden.“
Al-Qâdî Abû Ya‘lâ schreibt in „Al-Dschâmi Al-Kabîr“: „Die offenkundige Bedeutung der Aussage von Ahmad ist, dass es für den Imâm Sunna ist, nach den rituellen Gebeten Dhikr und Bittgebet laut zu lesen, so dass die Mitbetenden es hören können. Doch mehr soll er nicht tun. Von Ahmad werden Texte überliefert, die darauf hinweisen, dass er einen Teil des Dhikrs laut und das Bittgebet leise las. Das ist die offensichtliche Ansicht. Dabei ist dies nicht ausschließlich dem Imâm vorbehalten, denn die offenkundige Bedeutung des Hadîths von Ibn Abbâs weist auch auf das laute Lesen durch die Mitbetenden hin. Er sagte: ‚Was das Bittgebet anbelangt, so ist es Sunna, es leise zu lesen.‘“
In den beiden Sahîh-Werken wird (von Âischa) im Zusammenhang mit dem Wort Allâhs (Und sei nicht zu laut beim Gebet, und sei auch nicht zu leise dabei; Sûra 17:110) das überliefert, was in der Frage erwähnt wurde.
Weiter sagte er: Wakî berichtete von Ar-Rabî und dieser von Al-Hasan und Ar-Rabî berichtete von Yazîd ibn Abân und dieser von Anas, dass beide es als makrûh ansahen, wenn ein Mann seinen Sitznachbarn etwas von seinem Bittgebet hören ließ. Es wurde zwar auch eine Erlaubnis dafür berichtet, jedoch aus einer Quelle, die nicht authentisch ist: Von At-Tabarânî wird berichtet, dass Abû Mûsâ überlieferte: „Wenn der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) das Morgengebet verrichtete, erhob er seine Stimme, bis ihn seine Gefährten hörten, und er sprach: ‚Allâh, stelle mir meine Religion richtig, die du zum Schutz meiner Angelegenheit gemacht hast (dreimal). Allâh, stelle mir meine diesseitige Welt richtig, in der du für mich meinen Lebensunterhalt gemacht hast (dreimal). Allâh, stelle mir mein Jenseits richtig, das du zu meiner Heimkehr gemacht hast (dreimal).‘ Dabei erwähnte er noch ein anderes Bittgebet.“ In seiner Überliefererkette findet sich Yazîd ibn Iyâd − jemand, dessen Hadîthe (von den Gelehrten) abgelehnt wurden, und Ishâq ibn Talha, der als schwach gilt. Was den Hadîth betrifft, der von Muslim und anderen unter Berufung auf Al-Barâ ibn Âzib überliefert wurde, so heißt es dort: „Wenn wir hinter dem Gesandten Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) beteten, standen wir gerne auf seiner rechten Seite, damit er sich uns mit seinem Gesicht zuwandte. Er sagte: ‚Ich hörte ihn sagen: »Mein Herr, schütze mich vor Deiner Strafe, am Tag, an dem Du Deine Anbeter auferweckst.«‘ Doch daraus geht nicht hervor, dass er das so laut rezitierte, dass die Leute ihn hörten. Was daraus hervorgeht, ist, dass er dies für sich sprach, und ihn (manchmal) jemand daneben hörte, genauso wie manchmal jemand, der hinter ihm stand, von ihm in den Tagesgebeten (die leise rezitiert werden; AdÜ) einen bestimmten Vers vernahm.“
Wenn feststeht, dass der von dir zitierte Hadîth von Ibn Abbâs, der das leise Lesen von Bittgebeten erfordert, sich auf ein (etwaiges) Erheben der Stimme beim Bittgebet nach dem Gebet bezieht, dann versteht man, dass der Qunût aus diesem Zusammenhang fällt. Und zwar deswegen, weil durch konkrete Beweise klar wird, dass hier laut rezitiert wird.
Daher sind deine Frage und Sorge in diesem Zusammenhang unangebracht. An-Nawawî schreibt in „Al-Madschmû“: „Der Hadîth über den Qunût des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), den er las, als die vielen Qurân-Rezitatoren (von einem Beduinenstamm; AdÜ) getötet wurden, sagt aus, dass er (diesen Qunût) in allen Gebeten laut las. Das ist die Aussage von Ar-Râfiî. Das Korrekte und Richtige ist, dass ein lautes Lesen wünschenswert (mustahabb) ist. Bei Al-Buchârî heißt es als Erklärung des Qurân-Verses ‚Es ist gar nicht deine Angelegenheit, ob Er (...) (Sûra 3:128)‘ unter Berufung auf Abû Huraira, dass der Prophet den Qunût bei Katastrophen (Qunût An-Nâzila) laut las. Über das laute Rezitieren des Qunûts gibt es zahlreiche authentische Hadîthe, die wir später im Abschnitt ‚Ansichten der Gelehrten zum Qunût‘ erwähnen wollen.“
Ibn Qudâma schreibt in „Al-Mughnî“: „Wenn der Imâm mit dem Qunût beginnt, sagen die hinter ihm Betenden Âmîn. Hierzu kennen wir keine Meinungsverschiedenheit. So hat es Ishâq gesagt, und Al-Qâdî meinte: ‚Wenn sie mit ihm zusammen Bittgebete sprechen, so ist dagegen nichts einzuwenden.‘ Zu Ahmad wurde gesagt: ‚Wenn ich beim Qunût des Imâms nichts höre, soll ich dann (selbst) Bittgebete sprechen?‘ Er sagte: ‚Ja, und im Zustand des Qunût hebt er die Hände.‘“
Diese Überlieferung zeigt, dass der Imâm den Qunût laut spricht, so dass die Mitbetenden sein Bittgebet hören. Dies ist die Praxis vieler muslimischer Imâme.
Und Allâh weiß es am besten!
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