Ibrâhîm wusste, wie fadenscheinig Nimrods Argumente waren, wie schwach das Netz der Selbsttäuschung war, das Nimrod für sich selbst gesponnen hatte. Ibrâhîm erkannte den Unterschied zwischen der bedeutungslosen Macht Nimrods und der weisen und wahren Macht Allâhs. Dieser Prophet begriff, dass wahre Macht nur aus der völligen Unterwerfung unter Allâh hervorgeht, nicht aus physischen Entgleisungen und dem Druck anderer.
Dies ergibt sich auch aus dem Wort des Propheten Muhammad (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Der Starke ist nicht der gute Ringer. Stark ist der, der sich beherrscht, wenn er zornig ist“ (Al-Buchârî).
Der Gläubige ist niemals gewillt, seine menschlichen Schwächen durch unnötige Gewalt, harte Worte und boshafte Gedanken auf andere Menschen zum Ausdruck zu bringen. Allâh der Erhabene sagt: „Und zeige den Menschen nicht geringschätzig die Wange und gehe nicht übermütig auf der Erde einher, denn Allâh liebt niemanden, der eingebildet und prahlerisch ist“ (Sûra 31:18).
Dieser Qurânvers zeigt nicht die Eigenschaften der Starken, sondern die der spirituell Schwachen. Ein starker Mensch befindet sich stattdessen in selbstloser Hingabe an seinen Schöpfer. Der Prophet Muhammad (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) rächte sich nicht an den Einwohnern Mekkas, als er es eroberte. Er erhob seine Stimme nicht gegen jene, die ihm keinen Respekt gezollt hatten. Stattdessen widersprach er dem, was die Araber damals als Handlungen der Starken und Mächtigen ansahen. Darin lag ein Zeichen seiner wirklichen Stärke.
Wenn wir uns der Unterdrückung widersetzen wollen, müssen wir daran denken, dass wir nur dem Einen dienen, der alles erschuf, und nicht den Geschöpfen selbst. Wir alle kennen den Spruch: „Verfalle nicht den weltlichen Dingen.“ Aber es ist ebenso wahr zu sagen: „Lass dich nicht vom Hass auf das Irdische leiten.“
Geben wir uns diesen Zuständen hin, bedeutet dies, dass wir unsere Unterwerfung unter Allâh aufgeben und uns der Welt und ihren Trugbildern ergeben, die dann Kontrolle über uns erlangen. Wir verlieren unsere eigentlichen Ziele aus den Augen und konzentrieren uns entweder aus Liebe oder Hass auf das Vergängliche, das Immerwährende gleitet uns aber aus den Händen. Wir erliegen unseren Emotionen, anstatt Zuflucht beim Allbarmherzigen zu suchen.
Nach Allâhs Geboten zu leben ist immer besser, als unseren falschen Wünschen zu folgen. Ein Beispiel dafür ist die berühmte Erzählung über Alî ibn Abû Tâlib (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) auf dem Schlachtfeld. Sein Gegner fiel auf den Boden, bereit den Todesstoß zu empfangen. In diesem Moment spuckte er Alî ins Gesicht. Alî hielt sich zurück und wandte sich zum Erstaunen seines Gegners ab, der wissen wollte, warum er das tat. Alî erklärte, dass er es nicht für Allâh gemacht hätte, sondern aus persönlicher Rache, was er als Unaufrichtigkeit gegenüber Allâh empfand.
Alî (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) verstand, dass sein Schlag in jenem Moment bedeutet hätte, nicht den göttlichen Willen zu vollziehen, sondern sich dem Irdischen zu ergeben. Diese käme dem gleich, dass man sich durch die Handlungen des Feindes oder die eigenen Gefühle lenken lässt. Diese Geschichte zeigt den starken Charakter Alîs. Er wollte, dass sein Herz nur für Allâh dem Allmächtigen und nur um Seinetwillen schlägt, ohne sich dem Trugbild dieser Welt zu ergeben. Er verzichtete auf eine Zurschaustellung körperlicher Stärke, damit er die von Allâh gesetzten Grenzen nicht überschreitet, sprich aus Willkür oder persönlichem Motiv tötet. Er wusste, dass alle Macht in dieser Welt von Allâh allein kommt, und diese Macht verliert ihre Bedeutung, wenn sie nicht gemäß dem Willen des Einen eingesetzt wird. Diese vorzügliche Art des Handelns machte ihn und viele andere Gefährten des Propheten Muhammad (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zu den stärksten und weisesten Dienern Allâhs.