Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Der Gesandte (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) hat seinen Gefährten (möge Allâh mit ihnen zufrieden sein) zwar viele Verse erklärt und kommentiert, jedoch nicht den gesamten Qurân. Ein Beispiel ist das Wort Allâhs in Sûra 6:82. Abdullâh ibn Mas’ûd (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) überliefert hierzu bei Al-Buchârî und Muslim: „Als herabkam ‚Diejenigen, die glauben und ihren Glauben nicht mit Ungerechtigkeit verdecken (…)‘, da lastete dies schwer auf den Prophetengefährten und sie sagten: ‚Wen gibt es schon unter uns, der nicht ungerecht gegenüber sich selbst wäre?‘ Da sagte der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): ‚Nicht so ist es, wie ihr es vermutet! Vielmehr ist es so wie bei Luqmân, der zu seinem Sohn sprach: »O mein lieber Sohn, geselle Allâh nichts bei, denn Götzendienst ist fürwahr ein gewaltiges Unrecht.«‘" (Sûra 31:13).
Dies ist nur ein Beispiel von vielen.
Zur Frage nach der Bedeutung von Ta’wîl: Dies ist ein Verbalsubstantiv von dem ihm zugrundeliegenden Verb „âla, ya’ûlu, aul“. Ursprünglich bedeutete dies: „Eine Sache auf ihren Ursprung zurückführen“. Ta’wîl wäre damit: „Eine Interpretation (Tafsîr) von etwas anstellen, um damit zur ursprünglichen Bedeutung zu gelangen.“ Als Fachausdruck der Usûl-Wissenschaft (Grundlagen der islâmischen Normenlehre) heißt Ta’wîl: „Sich von einer äußeren, wörtlichen Bedeutung eines Ausdrucks abwenden zugunsten einer Bedeutung, die durch einen klaren Beleg als wahrscheinlicher gelten kann. Folglich wird diese Bedeutung der wörtlichen vorgezogen.“
Zum Unterschied zwischen Ta’wîl und Bayân: Ta’wîl bezieht sich auf eine Aussage, deren gemeinte Bedeutung nicht auf den ersten Blick erkannt wird. Bayân bezieht sich auf eine Aussage, deren gemeinte Bedeutung teils versteckt ist. Der Unterschied zwischen den Begriffen kann auch so verdeutlicht werden: Tafsîr ist allgemeiner als Ta‘wîl. Jeder Ta’wîl ist ein Tafsîr, aber nicht umgekehrt. Tafsîr wird meist für die Erklärung von Wörtern und Ausdrücken verwendet. Ta’wîl eher für die Erklärung von Bedeutungen und ganzen Sätzen.
Ein Ta’wîl gilt als korrekt, wenn er die erforderlichen Bedingungen erfüllt: Übereinstimmung mit den Regeln der (arabischen) Sprache oder dem gewohnheitsmäßigen Wortgebrauch und eine klare Belegbarkeit, welche Bedeutung einem Wort beigelegt werden müsse. Ebenso muss derjenige, der Ta’wîl betreibt, die nötigen Kompetenzen besitzen. Die Gelehrten sind sich einig, dass man nach einem korrekt betriebenen Ta’wîl zu handeln hat, obwohl die dahin führenden Wege und Ansichten unterschiedlich sein mögen. Was für den einen Gelehrten als naheliegende Ansicht gilt, mag für einen anderen weit hergeholt erscheinen. Al-Amidî sagte: Nach einem akzeptablen Ta’wîl wird gehandelt, solange die Bedingungen vorliegen. Die berühmten Gelehrten der wichtigsten islâmischen Städte haben in allen Epochen seit der Zeit der Prophetengefährten bis heute danach gehandelt, ohne jemanden hierfür zu kritisieren.
Im Werk „Al-Burhân“ heißt es: „Der Ta’wîl einer wörtlichen Bedeutung ist erlaubt, wenn die Bedingungen vorliegen. Systematisch betriebener Ta’wîl kann nicht abgelehnt werden, auch wenn es in der detaillierten Durchführung durchaus unterschiedliche Meinungen gibt.“ Dies gilt jedoch ohnehin für den kompetenten Gelehrten (Mudschtahid) in allen Bereichen der Islâmauslegung: Er ist stets verpflichtet, dem zu folgen, was ihm nach eingehender Beschäftigung plausibel erscheint – so wie Al-Amidî es erklärt hat.
Al-Ghazâlî sagt: „Wenn die Auslegung für einen Text es nahelegt und auch der Beleg passend ist, so muss ein Mudschtahid-Gelehrter zwischen den möglichen Auslegungen diejenige wählen, die ihm plausibler und besser belegt erscheint.“
Ibn Qudâma sagt: „Jede Angelegenheit hat ihre Eigenarten und erfordert einen spezifischen Blick (für ein tieferes Verständnis).“
Und Allâh weiß es am besten!