Der Lobpreis gebührt Allâh! Möge Allâh den Gesandten Allâhs in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken!
Allâh der Erhabene schuf gewisse islâmkonforme Methoden, Mittel und Lösungen für den Umgang mit Streitigkeiten in der Ehe. Er bestimmte Wege, über die sich die Ehefrau von ihrem Ehemann befreien kann, wenn sie nicht mit ihm zufrieden ist oder seinen Charakter verabscheut, und zwar durch die Chul-Scheidung. Allâh erteilt nämlich der Frau das Recht, sich von ihrem Ehemann zu trennen, wenn er sie nicht aus der Ehe entlässt. Denn der Mann hat zwar die Scheidung in der Hand, die Frau hat aber dennoch das Recht zur Chul-Scheidung, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind.
An dieser Stelle werden einige Bestimmungen der islâmischen Scharia über die Chul-Scheidung dargelegt
Chul-Scheidung bedeutet: Die durch das Aussprechen bestimmter Worte erfolgende Trennung des Ehemannes von seiner Gattin gegen ein Entgelt oder eine Gegenleistung.
Legitimität dieses Vorgangs im Islâm
Die Legitimität dieses Vorgangs im Islâm ergibt sich durch Belege in islâmischen Textquellen. Beispiele dafür sind die folgenden:
Allâh der Erhabene sagt: „[...] Und es ist euch nicht erlaubt, etwas von dem, was ihr ihnen gegeben habt, (wieder) zu nehmen, außer wenn die beiden fürchten, dass sie Allâhs Grenzen nicht einhalten werden. Wenn ihr aber befürchtet, dass die beiden Allâhs Grenzen nicht einhalten werden, dann ist für die beiden keine Sünde in dem, womit (an Geld) sie sich löst [...]“ (Sûra 2:229).
Zu den Grundlagen in der Sunna gehört ebenso die Geschichte von der Ehefrau des Thâbit Qais .
Al-Buchârî überlieferte von Ibn Abbâs , dass die Frau von Thâbit Qais zum Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ging und sagte: „O Allâhs Gesandter! Ich kann mich weder über den Charakter von Thâbit ibn Qais beschweren noch über seine Religiosität. Doch ich möchte im Islâm keinen Kufr [in Form von Undankbarkeit gegenüber dem Ehemann] begehen.“ Sodann fragte Allâhs Gesandter (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Gibst du ihm seinen Garten zurück?“ „Ja!“, erwiderte sie. Sodann sagte der Gesandte Allâhs: „Nimm den Garten an und erkläre sie mit einer einzigen Scheidungserklärung für geschieden!“
In einer anderen Überlieferung heißt es, dass er (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) fragte: „‚Wirst du ihm denn den Garten zurückgeben?‘ Darauf antwortete sie: ‚Ja!‘ Daraufhin wurde er ihm zurückgegeben, und er [der Prophet] wies ihn [Thâbit] an, sich von ihr zu trennen.“
Alle Großgelehrten sind somit der Meinung, dass dies zulässig sei.
Ibn Abdulbarr sagte: „Wir kennen niemanden, der dem widersprach, außer Bakr ibn Abdullâh Al-Muzanî. Er behauptete, der Qurân-Vers sei aufgehoben worden.“
Gründe, bei deren Vorliegen die Chul-Scheidung rechtsgültig ist
1. Der Mann ist im Glauben wie auch in der religiösen Praxis schwach, begeht zudem große Sünden und sie kann es mit ihm nicht aushalten.
2. Die Frau verabscheut das Aussehen und die Gestalt ihres Mannes, wenn er zum Beispiel missgestaltet und hässlich ist.
3. Sie verabscheut ihn auf Grund seines schlechten Charakters und zwischenmenschlichen Verhaltens.
4. Er drangsaliert sie und macht ihr das Leben schwer, entlässt sie jedoch nicht aus der Ehe, sondern macht sie quasi zu einer Abhängigen.
5. Sie verspürt auf Grund seines hohen Alters Abneigung gegen ihn und er erfüllt seine Pflichten ihr gegenüber nicht.
6. Die Ehefrau befürchtet zu sündigen, indem sie es unterlässt, ihre Pflichten gegenüber ihrem Ehemann zu erfüllen.
Bedingungen für die Gültigkeit der Chul-Scheidung
1. Sie wird von einem Ehemann durchgeführt, dessen Handlungen rechtswirksam sind, also von einem Mann im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und mit Differenzierungsvermögen.
2. Sie erfolgt gegen ein Entgelt, das von der Frau als Gegenleistung an den Mann gezahlt wird, um sich dadurch von ihm zu lösen.
3. Sie wird sofort umgesetzt und bleibt nicht in der Schwebe.
4. Sie verwirklicht sich für die Frau als Ganzes.
5. Die Trennung per Scheidung gegen Abfindung erfolgt nicht als Resultat einer absichtlichen Schädigung durch den Ehemann, wodurch er beabsichtigt, dass sie sich gegen Entgelt von ihm trennt und ihm dabei das zurückgibt, was er ihr gezahlt hatte. Diesbezüglich sagt Allâh der Erhabene: „[...] Und drangsaliert sie nicht, um (ihnen) einen Teil von dem, was ihr ihnen gegeben habt, zu nehmen, außer sie begehen etwas klar Abscheuliches [...]“ (Sûra 4:19).
Wenn sie also nichts Abscheuliches begangen hat, nicht ungehorsam war und keine absichtliche Drangsalierung seinerseits vorlag, ist Chul-Scheidung nicht gültig.
6. Dabei werden nicht die für eine gewöhnliche Scheidung üblichen Worte verwandt.
7. Er fasst dabei nicht die Absicht zu einer gewöhnlichen Scheidung.
8. Es dient nicht als Kniff, um einen Scheidungsschwur rechtsungültig werden zu lassen.
Wenn also diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist es der Frau erlaubt, die Chul-Scheidung zu verlangen. Wenn es jedoch keine islâmischen Gründe für die Chul-Scheidung gibt, dann ist es für die Frau harâm, von ihrem Mann die Trennung zu verlangen. Denn der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Jedweder Frau, die ihren Ehemann um die Scheidung bittet, ohne dass eine Schädigung vorliegt, ist der Geruch des Paradieses verwehrt.“ (Überliefert von Ahmad, Abû Dâwûd und At-Tirmidhî.)
Verbales Verkünden der Chul-Scheidung
Für die Chul-Scheidung gibt es offenkundige wie auch indirekte, umschreibende Formulierungen.
Was die offenkundige Form betrifft, so erfolgt sie durch die Begriffe Al-Chul, Al-Fasch oder Al-Fidâ. So sagt er beispielsweise: „Châla´tuki (Ich habe dich per Chul-Scheidung aus der Ehe entlassen).“
Und zu den indirekten, umschreibenden Formulierungen gehört es, wenn er sagt „Bâraituka (Ich habe mich mit dir auf die Trennung geeinigt)“ oder „Abra`tuka (Ich habe dich frei gemacht)“ oder „Abantuka (Ich habe dich getrennt)“. Durch solche Worte verwirklicht sich diese Scheidung nur, wenn die Absicht dazu besteht oder ein Indiz vorliegt, das darauf hinweist.
Wartefrist der Frau, die durch Chul-Scheidung aus der Ehe entlassen wurde
Hierüber haben die Gelehrten unterschiedliche Meinungen:
Diejenigen, die der Meinung sind, die Chul-Scheidung sei eine Scheidung, sagen, sie müsse die dreimonatige Wartefrist [drei Menstruationen respektive drei Reinheitsphasen] einhalten, die nach einer gewöhnlichen Scheidung anfällt.
Gemäß der Meinung derjenigen, die meinen, die Chul-Scheidung sei eine Auflösung [des Heiratsvertrages], beträgt ihre Wartefrist eine einzige Menstruation.
Die vorzugswürdige Meinung ist wahrscheinlich – doch Allâh weiß es am besten –, dass sie eine einzige Menstruation abwarten muss. Dieser Meinung sind viele Gelehrte zum Beispiel Ibn Al-Qayyim. Grundlage dafür ist, dass Abû Dâwûd von Ibn Abbâs überlieferte, die Frau von Thâbit ibn Qais habe sich per Chul-Scheidung von ihm getrennt, woraufhin der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) bestimmte, dass ihre Wartefrist eine einzige Menstruation sein sollte.
Die Regel für den Fall, dass sie zu ihrem Ehemann zurückkehren möchte
Die Rückkehr zum Ehemann ist unter folgenden Bedingungen rechtsgültig:
- Der Ehemann hat noch nicht die höchstmögliche Anzahl von Scheidungserklärungen ausgesprochen. Dies gilt, wenn er sie unter Verwendung des Wortes „Talâq (Scheidung)“ aus der Ehe entlassen hat.
- Dabei werden ein neuer Ehevertrag geschlossen und eine neue Brautgabe festgelegt.
Wenn die oben genannten Bedingungen samt den übrigen Voraussetzungen für eine Heirat erfüllt sind, ist es ihnen gestattet, wieder zueinander zurückzukehren.
Hinweise
- Die Trennung per Chul-Scheidung ist zu jeder Zeit zulässig.
- Die Trennung ohne Gegenleistung ist gültig, aber unerwünscht.
- Sie ist rechtsgültig, wenn die gezahlte Gegenleistung höher liegt, als das, was er ihr [als Brautgabe] gegeben hatte. Es ist allerdings verpönt.
- Wenn sie sich unter der Bedingung von ihm trennt, das Kind zwei Jahre lang zu stillen, so ist dies rechtsgültig.
- Wenn sie sich unter der Bedingung von ihm trennt, dass der Unterhalt für die Schwangerschaft entfallen soll, so ist dies rechtsgültig.
- Was als Brautgabe zulässig ist, ist auch bei der Chul-Scheidung zulässig.
- Wenn bei Chul-Scheidung offenkundig das Wort „Talâq (Scheidung)“ verwandt oder indirekt angedeutet und dabei eine Scheidung bezweckt wird, dann handelt es sich dabei um eine unwiderrufliche Scheidungserklärung. Sollte sie jedoch durch das Verwenden von Worten wie Al-Chul, Al-Fasch oder Al-Fidâ erfolgen und der Ehemann nicht die Absicht zur Scheidung haben, dann handelt es sich um eine Auflösung des Heiratsvertrages und die Anzahl der noch möglichen Scheidungserklärungen verringert sich nicht.
Und Allâh der Erhabene weiß es am besten!