Anonyme Ramadân-Meidende
25/07/2011| IslamWeb
Festtage erscheinen in zwei Abstufungen: die gehaltlosen Spaß-Festtage wie der 1. April und der Neujahrstag sowie verhältnismäßig bedeutende Feiertage wie der Muttertag und das Erntedankfest.
Für uns Muslime fallen unsere Feiertage in die letztere Kategorie, weil sie Festtage sind, die Zeiten intensiver Anbetung abschließen. Historisch gesehen waren Feiertage (im Englischen holidays, abgeleitet von holy days = heilige Tage) Tage, an denen man sich von der Arbeit frei nahm, um sich auf geistige und religiöse Tätigkeiten zu konzentrieren. Könnte der Ramadân also vielleicht auch als ein holy day betrachtet werden?
Nun, wir verwenden nicht genau dieses Wort, um ihn zu beschreiben. Wir wissen alle, dass der Ramadân kein Feiertag ist. Und es ist nicht nur so, weil seine Tage fastend und seine Nächte Gebete verrichtend verbracht werden. Es ist die Tatsache, dass dies einen ganzen Monat lang so geschieht.
Weil nun jeder andere Feiertag ein besonders schönes Geschenk für die Mutter oder das Ausrichten eines einmal stattfindenden, fabelhaften Truthahn-Festessens fordert und das Gefühl vermittelt, bis zum nächsten Jahr ein Opfer gebracht zu haben, bietet der Ramadân keine Abkürzung zur Errettung. Es sind 29 oder 30 Tage, magst du es nun beachten oder nicht!
Aber es geht nicht nur um die Vorteile, die mit kurzen Festtagen verbunden sind und das Zelebrieren einfacher machen als eine 30 Tage lange Festzeit. Es liegt nicht daran, dass die Stimmung nur für kurze Zeit anhält oder dass kürzer dauernde Ereignisse leichter zu planen sind. Es liegt daran, dass es einfacher ist kurzfristig etwas als Tarnung zu tragen als einen ganzen Monat lang so zu bleiben.
Dies erklärt, warum der Ramadân mich oft an „Sucht“ erinnert. Unser Leben hindurch folgen wir wechselweise destruktiven und tolerierbaren Verhaltensmustern. Doch wenn der destruktive Teil in uns die Oberhand gewinnt, dann bedarf es eines Augenblicks des Aufrüttelns oder eines intensiven Entzugsprogramms, um uns diese Gewohnheit, die wir gebildet haben, wieder abzugewöhnen. Und bis dies geschieht, bleibt die Sucht entweder unbemerkt oder wird verdrängt.
Wie genau passen also Ramadân und „Sucht“ wieder zusammen? Die Wahrheit lautet, dass wir, auch wenn wir uns niemals als Opfer einer so schädlichen Krankheit wie einer Sucht charakterisieren wollen, tatsächlich doch so an unseren weltlichen Tätigkeiten hängen, dass es uns schwerfällt, uns von ihnen abzuwenden. In uns liegt eine Liebe für sie und wir sind mit ihnen verbunden, dass wir uns, wenn sie abgetrennt ist, leer fühlen würden; es ist die Sucht nach unserem Leben, die es für viele von uns so schwierig gemacht hat, den Ramadân zu ergreifen, wie wir es mit jedem anderen besonderen Anlass tun.
Niemand wird zugeben, dass er, wenn Ramadân sich nähert, sich Gedanken macht, sich von seiner normalen Routine zurückzuziehen, nicht für eine eintägige Feiertagsunterbrechung, geschweige denn für einen Monat. Und wenn der Festtag kommt, kehren sie, selbst wenn sie es schaffen nur für den Ramadân eine bemerkenswerte 180°-Wendung durchzuführen, doch wieder zu ihrer Routine zurück, sogar wenn sie wissen, dass sie es nicht sollten.
Anzeichen der Sucht sind nun folgende: Die eigene Anfälligkeit für sie nicht zuzugeben, oder die eigene Sucht zu bestätigen – im Glauben, dass keine wirkliche Veränderung gewährleistet ist oder herbeigeführt werden kann.
Je mehr ich über die Sucht las, desto mehr erklärte es unsere Einstellung zum Ramadân, bis ich auf einige Wissenschaftler traf, die erklärten, dass die Sucht eine Fehlfunktion des Gehirns sei, selbst wenn der Abhängige die Droge nicht aktiv benutzt. Zuvor wurde die Sucht immer ausschließlich als ein Geisteszustand angesehen, von dem man sich loslösen kann, wenn man den Willen dazu hat, ihn zu überwinden. Mit diesen neuen Befunden könnten viele, die dazu neigen, dem Schicksal für ihren Zustand die Schuld zuzuweisen, jetzt auch auf die Vernetzung ihrer Gehirnzellen hinweisen.
Wenn wir also nicht nach Entwöhnung von unserer Sucht nach unserem Leben durch den Entzug, den der Ramadân bietet, streben, wird unser Wunsch diesen Weg weiter bergab zu gehen uns noch schlimmer machen. Allâh der Erhabene sagt: „Und jene, die sich Unsertwillen abmühen, werden Wir ganz gewiss auf Unsere Wege leiten. Und wahrhaftig, Allâh ist gewiss mit den Gutes Tuenden!“ (Sûra 29:69).
Nur wenn wir erkennen, dass wir den Ramadân brauchen und wollen, dass er uns von unserem Lebensstil, nach dem wir süchtig sind, entgiftet, wird Allah uns helfen den Weg zur Besserung zu sehen.