Die Regelungen der Zakâ Al-Fitr – Teil 1
25/08/2011| IslamWeb
Der Bereich der Anbetung ist im Islâm im wörtlichen Sinne allumfassend. Denn der Qurân berichtet uns, dass jeder einzelne Bestandteil der Schöpfung – nah oder fern, sichtbar oder unsichtbar, lebendig oder tot – den Wahren und Einzigen Gott anbetet: (ungefähre Bedeutung): „Niemand in den Himmeln und auf der Erde wird zum Allerbarmer anders denn als Diener kommen (können).“ (Sûra 19:93) Folglich werden nur Menschen (und die Dschinn) dazu aufgerufen, sich freiwillig der wundervollen Symphonie anbetender Geschöpfe anzuschließen.
Die fünf Säulen des Islâm sind die Ecksteine, auf denen wir solch ein hervorragendes und ehrwürdiges Leben gründen. Doch ohne eine wesentliche Säule, die den Schnittpunkt mit unseren erklärten Überzeugungen und unserem zweckmäßigen Leben darstellt, kann eine derartige Gründung eines würdevollen Lebens des Glaubens auf der Erde nicht stattfinden - weder persönlich, noch gesellschaftlich. Die Zakâ ist diese Säule, da sie das wichtigste Instrument ist, das Allâh uns zur Verfügung gestellt hat, um jeden Muslim und die Gesamtheit unserer Gemeinde geistig und sozial zu erhöhen und dadurch eine milde Hand für das Gemeinwohl der Menschheit aufrechtzuerhalten. Zu den gesegneten Erscheinungsformen – und sicherlich die am weitesten verbreitete – gehört die pflichtmäßige jährliche Abgabe der Zakâ Al-Fitr-Spende vor dem feierlichen Abschluss des Ramadân durch das Festgebet.
Die allumfassende Bedeutung der Zakâ
Das arabische Wort „Zakâ“ bedeutet „Reinheit“, „Läuterung“, „Gesundheit“, „Unversehrtheit“ (sowohl im physischen, als auch im moralischen Sinne). Es bedeutet auch „Wachstum“ oder „Zunahme“. Diese sprachlichen Bedeutungen zu verstehen hilft uns dabei, die Zakâ als finanziellen oder treuhänderischen Brauch, der uns von Allâh angeordnet wurde, richtig zu schätzen. Denn gewiss hat jede dieser Bedeutungen ihren Ursprung im wahren Zweck, den die Zakâ in unseren Leben und in unseren Gemeinschaften und Gesellschaften darstellt. Sie ist auch unter dem Begriff „Sadaqat Al-Fitr“ bekannt, die aufrichtige oder rechtschaffene Spende des Fastenbrechens, da sie die eigene Aufrichtigkeit gegenüber Allâh und die Rechtschaffenheit, nach Allâhs Gesetzgebung zu streben, bezeugt.
Das Hauptziel der Zakâ ist nicht lediglich „Spenden“. Allâh hat für diesen Zweck andere Regelungen eingerichtet. Vielmehr ist die Zakâ viel weitsichtiger und weitreichender. Ihr Ziel ist es, das psychisch-seelische Wohlbefinden jedes einzelnen Muslims als individuellen Diener Allâhs zu sichern und das sozio-moralische Wohl der gesamten muslimischen Gemeinschaft zu schützen.
Der Grund dafür, dass die Ziele der Zakâ so tiefsinnig und weitreichend sind, ist, dass ihr Prinzip so allumfassend und wichtig ist. Die Zakâ ist das obliegende Geben von Besitz in all seinen materiellen Ausprägungen von all denen, die ihn besitzen (und dies ist ihr allumfassender Gesichtspunkt) an all diejenigen, deren Bedürftigkeit ihnen das Recht auf eine minimal würdigende Summe davon gibt – und dies ist deren tieferer Sinn. Da dies bedeutet, dass Allâh entschieden hat, den Besitz von einigen von uns zur rechtmäßigen Mehrung bei anderen von uns als Treuhandeigentum anzulegen, das seinen rechtmäßigen Begünstigten übergeben werden muss, wenn unsere eigenen Güter rein bleiben sollen und unsere Gemeinde rechtschaffen sein soll.
Der tiefere Sinn liegt darin, dass die Zakâ dem Menschen ins Bewusstsein ruft, dass all ihr Besitz ihnen eigentlich als Darlehen von Allâh ausgezahlt wurde, der als der Schöpfer der einzige Besitzer von Leben und allem ist, was das Leben besitzt. Allâh hat diese Säule des Glaubens jeder gläubigen Gemeinschaft in der Geschichte offenbart. Doch Er hat sie zu einer inbegriffenen, hoch-systematisierten Einrichtung erweitert, die all denjenigen auferlegt ist, die dem Islâm folgen.
Die Summe der Zakâ Al-Fitr
Ursprünglich war der Betrag der Zakâ Al-Fitr ist ein Sâ‘ Datteln, Gerste oder Weizen. Ein Sâ‘ war ein Scheffel oder Trinkgefäß zur Zeit des Propheten . Es gab regelmäßig Recherchen muslimischer Gelehrter (wie die sehr bekannte Erforschung von Abû Yûsuf, dem großen hanafitischen Gelehrten), um aktualisierte Gewichts- und Maßäquivalente zum Sâ‘ zur Zeit des Propheten zu bestimmen. Es gibt eine minimale Abweichung oder einen minimalen Unterschied, dieses Hohlmaß, basierend auf der Umwandlung von Mengen verschiedener Güter (Datteln und Weizen z.B.) mit einer vereinheitlichten Maßeinheit zu bestimmen. Demnach wird ein Sâ‘ heutzutage 3.736 Liter geschätzt, dies entspricht einem Wert zwischen 2,176 und 2.25 kg (je nach Lebensmittel), oder einfach etwas weniger als 5 Pfund. Es muss jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Sâ' ein Hohlmaß wie der alte Scheffel oder der Liter ist, und keine Gewichtseinheit, weshalb Gewichtsangaben für den Sâ' keine genauen Angaben sind! Die Gewichtsangabe muss für jede Art von Lebensmittel (Reis, Mehl, Gerste, etc.) extra angegeben werden.
Es gibt jedoch in der hanafitischen Rechtsschule eine Meinung bezüglich der Bestimmung des korrekten Betrags der Zakâ Al-Fitr, die einen halben Sâ‘ für geerntetes Weizenkorn oder dessen Mehl vorschreibt, doch einen ganzen Sâ‘ für Güter wie Gerste, Datteln und Getreidekörner. Obwohl dies auf der Verfügbarkeit oder der Knappheit dieser Güter zu jener Zeit beruhte, verbreitete sich diese Meinung. Demnach muss der Preis der Grundnahrungsmittel, durch den die Zakâ Al-Fitr bestimmt wird, zum Vorteil der Zakâ Al-Fitr-Empfänger unter heutigen Umständen überdacht werden.
Die klassische Stellung der mâlikitischen, schâfi’itischen und hanbalitischen Rechtsschulen bezüglich der Art der Zakâ Al-Fitr-Abgabe erörtert die Bezahlung lediglich in Bezug auf die Hohlmaße der Lebensmittel oder Nahrungsmittel. Trotzdem herrscht in dieser Angelegenheit die hanafitische Meinung vor, die besagt, dass Muslime den Preis der Zakâ Al-Fitr, der ursprünglich für Gerste und Datteln bestimmt wurde, in heutigen Währungsgegenwerten zahlen können. Sie begründen diese Meinung mit dem höheren oder realisierbareren Nutzen, indem sie sagen, dass das Geld der bedürftigen Person ermöglicht zu kaufen, was sie für das notwendigste am Festtag erachtet. Sie betonen, dass eine Person beispielsweise vielleicht keinen Maisvorrat oder desgleichen benötigt, jedoch vielmehr Kleidung oder Fleisch etc.
Wer zur Zakâ Al-Fitr-Zahlung verpflichtet ist
Wie wir bereits erwähnt haben ist jeder Muslim zur Zahlung der Zakâ Al-Fitr verpflichtet, vorausgesetzt es ist Essen für einen selbst und für die Angehörigen vorhanden, das für den Tag des Ramadân-Festes und den Tag darauf ausreicht. Jetzt, wo wir wissen, was ein Sâ‘ ist, können wir genauer bei der Bestimmung sein, wer dazu verpflichtet ist, die Zakâ Al-Fitr-Zahlung zu verrichten. Jeder Muslim, ob reich oder arm, der Gerste oder ähnliche Nahrungsmittel besitzt (oder für den eigenen Bedarf lagert), die für den eigenen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen für eine ganze Nacht und einen ganzen Tag ausreichen – oder die finanziellen Mittel besitzt, dementsprechendes zu bewirken – muss die Zakâ Al-Fitr abgeben.
Diese Summe ist nicht pro Haushalt fällig, sondern pro Person. Der Prophet sagte: „Gebt Zakâ Al-Fitr im Namen eurer Verwandten.“ (Al-Baihaqî), als er darauf hinwies, dass die Zakâ Al-Fitr den Besitz der Reichen reinigt und der Grund dafür ist, dass Allâh den Armen mehr gibt als das, was sie gegeben haben. Dashalb muss jeder, der sich selbst und seine Familie ernähren kann, die Zakâ Al-Fitr-Zahlung für jedes einzelne Mitglied des Haushalts entrichten.
Die Rechtsschulen von Schâfi’î und Ahmad ibn Hanbal erklären, dass ein Muslim die Zakâ Al-Fitr in seinem oder ihrem eigenen Namen geben soll sowie im Namen jeder einzelnen Person, die unter seiner oder ihrer Obhut ist – einschließlich seiner Frau, Kinder (solange sie nicht finanziell unabhängig sind), Eltern (wenn sie arm oder abhängig sind) und alle anderen, die als Angehörige des Haushalts gelten (wie etwa Pflegekinder, Waisen und dergleichen).
Fortsetzung folgt