Bid‘a im Islâm
Die Mutter der Gläubigen Âischa (möge Allâh mit ihr zufrieden sein) überlieferte, dass der Gesandte Allâhs (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Wer in dieser unserer Sache (Religion) eine Neuerung (Bid’a) einführt, die nicht dazu gehört, so ist dies abzulehnen!“ (Al-Buchârî und Muslim). In einer anderen Version heißt es: „Wer eine Handlung vollzieht, die nicht mit unserer Sache übereinstimmt, so ist sie abgelehnt“ (Muslim).
Erläuterung zum Hadîth
Allâh machte den Islâm und die Gebotenlehre in Seiner allumfassenden Weisheit zur letzten Botschaft an die Menschen, damit sie diese Religion als Lebensweise und Weg zu ihrem Herrn annehmen. Daher sind die Lehren des Islâm von umfassender Natur und decken alle Lebensbereiche ab. Keine gute Sache und kein Übel wurden ausgelassen, ohne die Menschen auf diese hinzuweisen. Die göttliche Botschaft fand mit dem Tod des Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ihr Ende. Allâh der Erhabene sagt: „Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islâm als Religion für euch zufrieden“ (Sûra 5:3).
Nach Vollendung der Botschaft blieb kein Raum mehr für Hinzufügungen oder die Einführung neuer Bestimmungen, weil Allâh die Regeln des Islâm bereits verdeutlicht hat. Er, der Allmächtige, legte konkrete Vorgehensweisen für Anbetungshandlungen fest und bestimmte deren Art der Ausführung, Anzahl der Wiederholungen sowie Zeit und Ort für die Umsetzung. Dann befahl Er denen, die zur Ausübung religiöser Handlungen verpflichtet sind, sich an diese Vorgaben ohne Änderung zu halten. Er der Erhabene machte die Wahrung dieser festgelegten Regeln und die Befolgung Seiner Befehle zu einem Mittel zur Erlangung Seines Wohlgefallens.
Das Buch Allâhs und die Sunna Seines Propheten umfassen alles und lassen niemandem die Freiheit, neue Handlungen oder Regeln einzuführen. Wer nach etwas anderem strebt oder behauptet, er wäre in der Lage, etwas Besseres als die Weisung dieser beiden Quellen einzuführen, dessen Handlung wird abgelehnt, auch wenn sein Verstand diese Idee billigt und gutheißt.
Der Hadîth behandelt genau dieses Thema. Dabei gilt diese Überlieferung als Kriterium zur Feststellung, welche der guten Taten angenommen oder abgelehnt werden. Deshalb analysierten viele Gelehrte diesen Hadîth und sahen in ihm eine der Grundlagen des Islâm. Der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Wer in dieser unserer Sache (Religion) eine Neuerung einführt, die nicht dazu gehört …“ Dies ist ein Verbot aller erfundener Wege in der Religion und eine Warnung davor, Anbetungshandlungen einzuführen, die es in der Scharîa so nicht gibt. Der Prophet sagte: „… in dieser unserer Sache (Religion) …“ Die „Sache“ bedeutet die Offenbarung Allâhs (Qurân / Sunna) und die Scharîa. Allâh der Erhabene sagt: „Und ebenso haben Wir dir Geist von Unserem Befehl eingegeben“ (Sûra 42:52). Daher muss jede Anbetungshandlung von der Scharîa geregelt sein und in Übereinstimmung mit deren Normen durchgeführt werden. Andernfalls wird sie von Allâh dem Erhabenen abgelehnt, auch wenn der Ausübende jener Neuerung etwas Gutes dabei beabsichtigt. Denn die Bedingung für die Annahme von Taten ist ihre Übereinstimmung mit den Geboten Allâhs, so wie Allâh der Allmächtige sagt: „Wer nun auf die Begegnung mit seinem Herrn hofft, der soll rechtschaffen handeln und beim Dienst an seinem Herrn (Ihm) niemanden beigesellen“ (Sûra 18:110). Al-Fudail ibn Iyâd (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Allâh der Erhabene nimmt nur Taten an, die aufrichtig sind, und Er nimmt aufrichtige Taten nur an, wenn diese mit der Sunna übereinstimmen.“
Somit hat der zu religiösen Handlungen Verpflichtete nur zwei Wege zur Auswahl: den Weg der Offenbarung und der Scharîa oder den Weg der Abweichung und der Gelüste. Wer vom Weg abkommt und in die Religion Allâhs etwas einführt, was nicht zu ihr gehört, leugnet in Wirklichkeit die Vollständigkeit dieser Religion. Eine solche Handlung lässt den Trugschluss zu, die Scharîa wäre nicht vollkommen und müsste durch Neuerungen verbessert werden.
Wer eine Neuerung einführt, der erfüllt nicht die Bedingungen eines Teils des Glaubensbekenntnisses. Im zweiten Teil des Glaubensbekenntnisses bezeugen wir, dass Muhammad Allâhs Gesandter ist, was die Einhaltung seiner Sunna bedingt und ein Abweichen von dieser verbietet. Allâh der Erhabene sagt: „Und (Er hat euch anbefohlen:) Dies ist Mein Weg, ein gerader. So folgt ihm! Und folgt nicht den (anderen) Wegen, damit sie euch nicht von Seinem Weg auseinanderführen! Dies hat Er euch anbefohlen, auf dass ihr gottesfürchtig werden möget!“ (Sûra 6:153).
Es gibt einen wichtigen Hinweis im Ausspruch „Wer in dieser unserer Sache (Religion) eine Neuerung einführt“. Damit ist gemeint, dass der Bid’a-Begriff sich auf Anbetungshandlungen beschränkt. Was Innovationen anbelangt, die das tägliche Leben der Menschen betreffen, wie Industrien, Erfindungen, Infrastruktur und dergleichen, so sind sie von der Bid’a-Definition ausgeschlossen. Sprachlich betrachtet gelten sie zwar als Neuerungen, bezeichnen aber nicht die verbotenen Neuerungen in den Angelegenheiten der Religion. Darauf weist die Einschränkung im Hadîth hin: „… in dieser unserer Sache …“.
Die Aussage „die nicht dazu gehört“ deutet darauf hin, dass die Neuerung ein Abweichen von der göttlichen Weisung und der Sunna darstellt. Es kommt auch vor, dass manche Menschen fälschlicherweise einige Handlungen für religiöse Neuerungen halten, obwohl es sich bei ihnen um vergessene Handlungen der Sunna handelt. Dies ist durchaus üblich, vor allem aufgrund der Unwissenheit der Menschen und ihrer Abkehr vom Islâm. Dies zwingt uns dazu, nicht vorschnell ein Urteil zu fällen und einige Anbetungshandlungen als religiöse Neuerungen zu bezeichnen. Es kann nämlich sein, dass Belege der Scharîa solche Handlungen legitimieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nur einen Weg zu Allâh dem Erhabenen gibt, der so hell und klar wie eine leuchtende Laterne ist. Wann immer sich ein Muslim dieser nähert, erhellt sie den Weg vor sich. Wendet er sich von ihr ab, findet er sich in der Dunkelheit der Unwissenheit wieder und fällt in den Abgrund der Gelüste. Ein Muslim sollte seine Religion lernen und sich an ihre Lehren halten, wenn er Erfolg und Wohlergehen erlangen möchte.