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Wiederbelebung der Herzen

Wiederbelebung der Herzen

Fühlst du dich von den vielen häuslichen Pflichten überwältigt, die du erledigen musst? Hast du manchmal den Eindruck, du hättest keine freie Minute in deinem arbeitsreichen Leben? Sehnst du die Tage herbei, an denen du deine Ibâdât mit einem viel weicheren Herzen und feuchteren Augen verrichtet hast?

 

Falls du diese Fragen bejahst, so sei nicht traurig, denn du bist auf keinen Fall die einzige Person mit wenig Zeit, die ein großes Bedürfnis nach einer Wiederbelebung des Herzens empfindet und die Nähe Allâhs sucht.

 

Inmitten eines geschäftigen Tagesablaufs spüren wir alle ein Auf und Ab des Îmân. Manchmal erholen wir uns ziemlich schnell, aber es kommt auch vor, dass es eben etwas länger dauert, bis wir uns aufraffen. Wenn sich unser schlechter Zustand hingegen hinauszieht, sollten wir dem mehr Aufmerksamkeit schenken und uns den Tiefen des Lebens widmen. Im Schlimmstfall-Szenario stört es uns nicht mehr, keine Zeit für unsere Ibâdât zu haben. Sind wir erst einmal soweit, machen wir uns gar keine Vorwürfe, dass wir es hätten viel besser machen können, und man bemüht sich nicht mehr, sich Allâh zu nähern.

 

Überall begegnen uns Mütter, die sich über zahlreiche Verantwortlichkeiten und den Zeitmangel beschweren. Einige dieser Mütter sind berufstätig und sind erst spät abends nach 19 Uhr wieder daheim. Womöglich fühlen sie sich schuldig, weil sie ihre Kinder beim Tagesheim abgeben müssen und nicht genug Zeit mit ihnen verbringen können. Von der Arbeit todmüde kehren sie zurück nach Hause und sind manchmal auch schlecht gelaunt, so dass ihnen überhaupt nicht danach ist, mit den Kleinen zu spielen oder gar irgendwelche Gespräche zu führen. Mütter, die sich noch im Studium befinden, sind zwischen häuslichen Pflichten und dem Studium hin- und hergerissen. Selbst wenn die Mütter nicht berufstätig sind, gibt es genug Gründe, um sich über das eigene Zeitmanagement im Hinblick auf den Einkauf, die Hausaufgaben der Kinder, das Kochen und die Fahrerei zu beklagen.

 

Vielleicht haben diese Mütter verschiedene Lebensweisen und unterschiedliche Gründe für das Aussetzen ihrer Ibâdât, aber sie alle stimmen darin überein, dass sich irgendetwas ändern muss, um die Herzen wiederzubeleben und Allâhs Nähe zu suchen.

 

Hier stellt sich die Frage: Kann denn unser Zeitmangel als Rechtfertigung für die Vernachlässigung unserer religiösen Pflichten herhalten? Liegt es wirklich am Zeitmangel und den zahlreichen Verantwortlichkeiten oder eher an einem Mangel an Îmân und fehlendem Durchhaltevermögen?

 

Wenn wir ehrlich darüber nachdenken, werden wir feststellen, dass unsere Ausreden seltsamerweise ausschließlich oder zumeist zu Zeiten religiöser Andacht und Anbetung in Erscheinung treten. Schließlich haben wir ja ausreichend Zeit für die Arbeit, für irgendwelche Kurse, für das Studium, für eine Nebenbeschäftigung, fürs Shoppen, für das soziale Leben und zum Schlafen. Ist es aber an der Zeit, das rituelle Gebet zu verrichten oder den Qurân zu rezitieren, kommen plötzlich alle häuslichen Pflichten und täglichen Aufgaben zum Vorschein. Es ist die Huch-Zeit, sobald Anbetungshandlungen anstehen: „Huch, ich muss ja noch die Windeln des Kleinen wechseln“ und erneut ein „Huch, ich muss ja noch das Essen in den Ofen schieben“ und abermals ein „Huch, mein Sohn muss noch vom Fußballklub abgeholt werden!“ Die Bedürfnisse unserer Kinder und ihre Bitten nehmen kein Ende.

 

Die häuslichen Pflichten und täglichen Aufgaben nehmen ständig zu. Jedoch müssen wir uns die Frage stellen, wie viel Zeit denn nun solch ein rituelles Gebet in Anspruch nimmt? Fünf oder zehn Minuten? Was verlieren wir denn, wenn wir das Gebet rechtzeitig verrichten und dann zu unseren Aufgaben zurückkehren? Wie viel Zeit nimmt denn eine Qurân-Lektüre in Anspruch? Fünfzehn oder dreißig Minuten?

 

Wo verbleiben denn diese ganzen „Huchs“ und Ausreden in Gegenwart unseres Chefs oder Professors? Sie würden schlichtweg diese Ausreden nicht akzeptieren und uns nicht erlauben, die Pflichten zu vernachlässigen. Im alltäglichen Leben überschreiten wir niemals unsere Grenzen, weil wir genau wissen, dass bestimmte Regeln existieren, die wir nicht verletzen dürfen, sonst wären wir aus dem Spiel und müssten das Feld räumen.

 

Wir müssen uns also darauf einigen, dass es sehr wohl möglich ist, neben all den ganzen Aufgaben und Pflichten unserer religiösen Verantwortung nachzukommen.

 

Prioritäten setzen

 

Es ist wichtig, dass wir Prioritäten setzen und prüfen, welchen Stellenwert eigentlich unsere Ibâdât in unserem täglichen Leben aufweisen. Wenn die rechtzeitige Verrichtung unseres rituellen Gebetes zu unseren Prioritäten gehört, werden wir es niemals aufschieben. Sofern uns das Wohlgefallen Allâhs wichtiger ist als die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse oder die der Familie, werden wir für unsere gottesdienstlichen Handlungen ausreichend Zeit finden. Wir dürfen nicht die Zeit tadeln, sondern unsere Absichten darauf richten, noch besser in unseren Ibâdât zu werden. Wir werden überrascht sein, wie viel Zeit uns zwischen unseren Verantwortlichkeiten und häuslichen Pflichten zur Verfügung steht.

 

Eine Freundin beklagte sich stets, dass sie das rituelle Gebet ständig aufschob und nie zur rechten Zeit verrichtete. In der Annahme, sie wäre zu beschäftigt und hätte keine andere Wahl, erfüllte sie ihre Pflicht immer im letzten Moment. Einst bemerkte sie, dass ihr Zwölfjähriger im Gegensatz zu ihr in den rituellen Gebeten viel besser war. Er hatte einen Gebetszeitenplaner auf seinem Schreibtisch, nach dem er akribisch alle Gebete zur rechten Zeit verrichtete. Zwar war sie stolz auf ihren Sohn, aber irgendwie war sie beschämt, dass sie ihm nicht glich. Das war ein Zeichen von Allâh, um sie daran zu erinnern, was sie ihren Sohn einst lehrte. Er hatte nämlich die allersten Lektionen über die Bedeutung der rechtzeitigen Verrichtung des rituellen Gebetes nicht vergessen. Daher räumte er in seinem täglichen Leben dem rituellen Gebet den Vorrang ein. Also fragte sie sich selbst: „Wie kann es sein, dass ich vergaß, was ich einst meinem Sohn lehrte? Wie kann ich denn für ihn ein Vorbild sein, wenn ich nicht das tue, was ich ihm sage? Wie stehe ich vor Allâh, wenn Er mich eines Tages zur Rechenschaft zieht?“ Anhand dieses Beispiels wird jedem klar, dass uns manchmal Einblicke durch Menschen zuteil werden, von denen wir sie gar nicht erwarten. Sie dienen der Wiederbelebung unserer Herzen.

 

Aber die rechtzeitige Verrichtung der Gebete ist nicht ausreichend. Es ist auch wichtig, dass wir unsere Gebete ohne Eile in Demut vor Allâh verrichten, denn das Gebet ohne die demütige Ehrfurcht vor Allâh, ist eine andere Seite von Vergehen. Es kommt leider manchmal vor, dass wir uns an alle anstehenden Hausarbeiten erinnern, sobald wir mit dem rituellen Gebet beginnen. Gerade wenn wir unsere Hände erheben und «Allâhu akbar» sagen, fällt es uns ein, wo sich der verlorene Schlüssel befindet, wie die Lösung für das Matheproblem lautet oder was wir morgen für unsere Gäste kochen werden. Wann immer wir dem Gebet keine Aufmerksamkeit schenken und nicht begreifen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, um über all diese Dinge nachzudenken, werden sich all unsere Probleme und Herausforderungen vor uns abspielen und den Rest an verbliebener Demut und Konzentration rauben.

 

Warum kommen all unsere häuslichen Pflichten ausgerechnet in solch einem besonderen Augenblick in den Sinn? Gerade weil wir vergessen haben, unsere Herzen und Absichten wiederzubeleben, bevor wir überhaupt mit dem rituellen Gebet beginnen. Wenn wir wenige Sekunden vor dem Gebet darüber nachsinnen würden, dass wir vor Allâh stehen und zu Ihm sprechen, werden wir uns daran erinnern, dass es nichts in diesem irdischen Dasein gibt, das in den eigentlich wertvollsten Momenten des Lebens unsere Aufmerksamkeit verdient. Sofern wir beabsichtigen, diese kostbaren Minuten als Guthaben für das Jenseits vermerken zu lassen, müssen wir unser Bestes geben und uns auf das Gebet konzentrieren, denn eines Tages werden wir all das angesparte Guthaben dringend benötigen.

 

Leicht durchführbare Anbetungshandlungen

 

Aber was außer der Verrichtung unserer rituellen Gebete und der Lesung des Qurân kann uns noch Allâh näherbringen? Es gibt einige leicht durchführbare Ibâdât, die kaum Zeit bzw. Mühe beanspruchen, jedoch großen Lohn bringen. Zu diesen leichten Anbetungshandlungen gehört auch die Zeit der Besinnlichkeit. Hast du dich schon einmal umgesehen, während du im Auto sitzt oder auf deine Kinder wartest? Ich bin mir sicher, dass wir das alle tun, denn die Welt um uns herum ist so schön, dass wir es genießen, sie anzuschauen. Es bereitet uns große Freude, die Geschöpfe Allâhs zu betrachten und sich an den großen Bergen, den grünen Bäumen, dem blauen Himmel und den wunderschönen Vögeln zu begeistern. Manchmal gibt uns diese bewundernswerte Galerie der Schöpfung das Gefühl, als ob die ganze Welt Allâh lobpreisen würde. Das Nachsinnen über die Wunder der Schöpfung ist eine der großen gottesdienstlichen Handlungen, die uns Allâh näherbringen.

 

Das Übel an der Wurzel packen

 

Auf unserer Rückkehr zu Allâh ist es hilfreich, unser Problem zu konkretisieren. Wenn wir den Finger unmittelbar auf die Wunde legen und bestimmen wollen, was wirklich geändert werden muss, würden wir keine Zeit für leere Ausreden und falsche Behauptungen verlieren. Bezieht sich unser Problem auf eine Pflicht im Islâm oder eher auf eine freiwillige Handlung? Hat es etwas mit unserer Leistung, mit unserer Aufrichtigkeit oder mit unseren Absichten zu tun? Sobald wir das in Erfahrung gebracht haben, können erforderliche Maßnahmen formuliert werden. Die Pflicht ist einer freiwilligen Anbetungshandlung stets voraus, denn am Tag der Abrechnung werden wir zuerst über die Pflichten gefragt, ob sie geleistet worden sind. Es macht also keinen Sinn, sich den Kopf über nicht verrichtete Sunna-Gebete zu zerbrechen, solange wir ein Problem mit den Fard-Gebeten haben.

 

Wir können viel tun, um unsere Herzen wiederzubeleben. Sind wir erst einmal voller Hoffnung, so werden wir mit der Erlaubnis Allâhs alle unsere Ziele erreichen. Die Aufrichtigkeit gegenüber Allâh ist der erste Schritt, um uns selbst zu ändern und das Bittgebet wird uns helfen, auf dem rechten Pfad zu bleiben.

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