Niederschrift des Qurân
Die Prophetengefährten lernten den Qurân auswendig und trugen ihn mündlich vor. Neben dieser mündlichen Bewahrung des Qurân wurde er auch zu Lebzeit des Gesandten Allâhs niedergeschrieben.
Der Qurân wird immer wieder Al-Kitâb „das Buch“ genannt. Das Konzept des Kitâb im Qurân selbst ist zwar oft nicht mit der Vorstellung von einem Buch zu identifizieren, wie sie heute vorherrscht. Nach diesem Konzept kennt das Kitâb als Bezeichnung für den Qurân nicht die Dichotomie von Mündlichkeit und Schriftlichkeit des offenbarten Wortes, insofern die Offenbarung eine notwendigerweise zu rezitierende Schrift ist:
„Diejenigen, denen Wir die Schrift gegeben haben, lesen sie, wie es ihr zusteht; sie glauben daran.“ (Sûra 2:121)
„Genügt es ihnen denn nicht, dass Wir das Buch auf dich hinab gesandt haben, das ihnen verlesen wird?“ (Sûra 29:51)
„Gewiss, diejenigen, die Allahs Buch verlesen,...“ (Sûra 35:29)
Wenn wir die oben erwähnten Qurânverse (und zahlreiche andere) vergleichen, dann stellen wir Folgendes fest: Das Kitâb bedeutet explizit die Schriftlichkeit sowie auch - jedoch implizit - die Mündlichkeit. Das kann auch schon als eine der Eigenarten des Qurân in Betracht genommen werden.
Als Buch im eigentlichen Sinne, also als ein einheitliches, irgendwie zusammengeheftetes, geschriebenes oder gedrucktes Dokument von einer bestimmten Größe, liegt der Qurân jedoch erst nach der Kodifizierung der verstreuten Manuskripte unter dem 3. Kalifen Uthmân vor.
Nun gehen wir auf die Geschichte des Vorganges der Niederschrift des Qurâns ein.
Es gab unter den Prophetengefährten einige Personen, die schreiben und lesen konnten. Zu ihnen gehörte Zayd ibn Thâbit. Diese Personen wurden vom Propheten beauftragt, den Qurân niederzuschreiben. Daher bezeichnet man sie als „Schreiber der Offenbarung“. Als Schreibmaterial dienten Zettel, Steine, Palmblätter, Seidentücher, Holzstücke oder Leder.
Als der Prophet Muhammad den Qurân seinen Gefährten diktierte, versicherte er, dass es sich dabei um die Offenbarung handelte, die ihm von Allâh zuteil wurde. Er hat nicht alles auf einmal dikktiert. Muhammad erhielt diese Offenbarungen in Bruchstücken. Es ist durchaus natürlich, dass der offenbarte Wortlaut jeweils die Lösung eines zeitgemäßen Problems betraf:
Wenn einer seiner Genossen starb bedurfte es für diesen Tag einer Offenbarung über die Erbschaft und nicht etwa über das Gesetz, das z. B. wegen alkoholischen Getränken oder wegen Mordes zur Anwendung kommen sollte.
Die Offenbarungen kamen ihm also bruchstückweise und von Zeit zu Zeit, und sobald er sie erhalten hatte, gab er sie weiter. Er verlangte von seinen Gefährten nicht nur, sie auswendig zu lernen, sondern auch sie niederzuschreiben und Vervielfältigungen anzufertigen. Nach jeder neuen Offenbarung bestimmte er außerdem die Stelle, die dieser neue Wortlaut im Gefüge des Ganzen einnehmen sollte; denn der Qurân bildet keine mechanisch-chronologische Einteilung, was wir später auch behandeln werden.
Theoretisch hätte die Offenbarung von vornherein als primärer schriftlicher Text oder gleich als Buch vorgestellt werden können vergleichbar mit den Schriften der Juden und Christen unter den Arabern doch dies war nicht der Fall.
Vergleichen wir das Wort Iktatabahâ „schreiben; abschreiben, kopieren“im Vers 5 in der makkanischen Sûra 25:
„Und sie sagen: „(Es sind) Fabeln der Früheren, die er sich aufgeschrieben hat.“ So werden sie ihm morgens und abends vorgesagt.“ (Sûra 25:5)
Dementsprechend können wir Folgendes herauslesen: Der Prophet hat sich die Offenbarung aufschreiben lassen, die von den Makkanern als Fabeln der Alten bezeichnet wurden.
Einführung in die Qurânwissenschaften - Teil 3: Auswendiglernen als mündliche Bewahrung
Einführung in die Qurânwissenschaften - Teil 5: Historische Fakten über die Niederschrift des Qurân